Ansprüche aus Rechten des geistigen Eigentums in Form von anwaltlichen Abmahnungen hat sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem „Geschäftsmodell“ entwickelt. In vielen Fällen beruhen derartige Abmahnungen nicht auf dem zufälligen Auffinden einer Rechtsverletzung, sondern auf systematischer und gezielter Suche nach Verstößen durch spezialisierte Kanzleien oder beauftragte Unternehmen. Insbesondere im Bereich des Urheberrechts, etwa bei der Nutzung von Bildern oder Musikstücken, werden Webseiten, Online-Shops und Social-Media-Plattformen regelmäßig automatisiert durchsucht, um potenzielle Verletzungen aufzuspüren.
Die Tatsache, dass solche Abmahnungen mitunter auf Bagatellverstößen beruhen oder sich auf nur schwer erkennbare Lizenzbedingungen stützen, macht sie nicht weniger problematisch. Denn rechtlich gesehen spielt es keine Rolle, ob der Verstoß gutgläubig oder versehentlich begangen wurde.
Um solchen – mitunter sehr teuren – rechtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen, ist erhöhte Aufmerksamkeit bereits bei der Gestaltung des Online-Auftritts erforderlich. Insbesondere empfehlenswert ist:
- Bei der Verwendung von Bildern, Musik oder anderen urheberrechtlich geschützten Inhalten sollte genau geprüft werden, ob und unter welchen Bedingungen diese verwendet werden dürfen. Dies gilt auch (und gerade) für vermeintlich „kostenlose“ oder „lizenzfreie“ Inhalte.
- Die Benutzung von (herstellervorgegebenen) Produktbezeichnungen sollte nicht unkritisch erfolgen, insbesondere im grenzüberschreitenden Handel. Eine Marke, die in Österreich ohne Weiteres benutzt werden darf, kann gegebenenfalls ausländische Kennzeichenrechte verletzen. Umgekehrt können Bezeichnungen von aus dem (EU-) Ausland importierten Erzeugnissen mit österreichischen oder Europäischen Unionsmarken kollidieren.
Kommt es trotz allem zu einer Abmahnung, ist Besonnenheit zu empfehlen. Es gilt:
- Nicht in Panik verfallen: Abmahnungen wirken oft einschüchternd, enthalten kurze Fristen und hohe Forderungen – dennoch sollte man sich nicht vorschnell zur Zahlung oder Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung hinreißen lassen.
- Rechtlichen Rat einholen, um die grundsätzliche Berechtigung der geltend gemachten Forderungen zu prüfen, die Höhe des Schadenersatzes zu verhandeln oder grundsätzlich unberechtigte Ansprüche vollständig abzuwehren.
- Keine voreiligen Erklärungen abgeben: Insbesondere die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sollte stets erst nach juristischer Prüfung erfolgen, da sie langfristige rechtliche Bindungen mit sich bringt.
Fallbeispiele
Womit online aktive Einzelhändler etwa konfrontiert sein können, zeigen beispielhaft die nachfolgenden Fallkonstellationen, welche in der dargestellten Form zwar auf realen Fällen beruhen, aber in den dargestellten Fällen rein fiktiv sind.
Zur Präsentation der neu eingelangten Schuhmodelle auf seinem Instagram-Account lässt A ein Kurzvideo („Reel“) erstellen, das die Produkte werbewirksam in Szene setzt. Als „Soundtrack“ für die Videosequenz wird ein Musikstück verwendet, das von einer Webseite heruntergeladen wurde, die kostenlos „garantiert lizenzfreie“ Musiktitel zum Download anbietet. Wenige Tage, nachdem das Reel online gestellt wurde, erhält A einen Brief eines Rechtsanwalts. Darin wird ihm vorgeworfen, die Urheberrechte des Komponisten des als Soundtrack benützten Musiktitels verletzt zu haben, und ein höherer vierstelliger Euro-Betrag als Schadenersatz gefordert.
Leider hat A nämlich übersehen, dass der Anbieter der Webseite gemäß den von ihm vorgegebenen „Lizenzbedingungen“ die kostenlose Verwendung der von ihm bereitgestellten „lizenzfreien“ Titel nur „unter der Bedingung“ erlaubt, dass bei der Benützung ein konkret vorgegebener „Copyright-Hinweis“ angebracht wird. Da ein derartiger Hinweis zum Soundtrack des Reels nicht gemacht wurde, so der Anwalt, verstoße A gegen die Lizenzbedingungen und sei demnach nicht zur kostenlosen Musiknutzung berechtigt.
B verkauft hochwertige Schuhmodelle, die für sie von einem regionalen Handwerksbetrieb gefertigt werden, und die sie unter der Bezeichnung „Gojsara“ anbietet. Diese Produkte bietet sie nicht nur in ihrem Geschäftslokal sondern auch in ihrem Online-Shop, mit dem sie auch Konsumenten außerhalb Österreichs anspricht. Nach Einstellen des Angebots in den Online-Shop langen einige Bestellungen von „Gojsara“-Schuhmodellen, unter anderem aus Deutschland ein. Kurze Zeit später erhält sie das Schreiben eines deutschen Rechtsanwalts, der ihr die Verletzung der in Deutschland registrierten Marke GOJSARA des Unternehmens U zur Last legt, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt und eine nicht unbeträchtliche Summe Schadenersatz fordert.
Dass B ihren Geschäftsstandort (nur) in Österreich hat, wo kein Markenschutz für das Zeichen „Gojsara“ besteht, hilft ihr in diesem Fall nicht. Über ihren Online-Shop hat sie die mit dieser Marke gekennzeichneten Schuhe nämlich auch in Deutschland angeboten und damit die deutsche Marke des Unternehmens U verletzt.
Fälle wie die vorstehend dargestellten sind keine Einzelerscheinungen. Die Geltendmachung von – tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen – Ansprüchen aus Rechten des geistigen Eigentums in Form von anwaltlichen Abmahnungen hat sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem „Geschäftsmodell“ entwickelt.
Sie sind bereits mit einem Abmahnschreiben konfrontiert und oder haben spezifische Fragen zu diesem Thema? Gerne stehen wir Ihnen gemeinsam mit der Unterstützung von MMag. Alexander Koller zur Verfügung.
Ihr Ring Team